Vater Anton und Sohn Marco Maccaferri bei der Arbeit: Dem mächtigen Ausleger mussten die beiden mit diversen Werkzeugen zu Leibe rücken.

Generalüberholung eines Wahrzeichens

Auch Aushängeschilder bleiben vom Zahn der Zeit nicht verschont. Das Türmchen vor dem Turm und seine Tragkon- struktion bildeten altershalber nicht nur ein Sicherheits- risiko, sondern sollten im Rahmen der Fassadenrenovation ebenfalls in neuem Glanz erstrahlen. Ein Fall für die Profis!

Die Ausgangslage war alles andere als alltäglich: ein Türmchen aus den 1960er-Jahren, entsprechend verwittert, platziert auf einem rund 250-jährigen schmiedeeisernen Ausleger. So prä- sentierte sich das Wirtshausschild des Roten Turms noch im Januar 2019. Bis die Spezialisten kamen – und das gleich in zwei Generationen: Anton und Marco Maccaferri, mit ihrer Fir- ma auf historische Kunstschmiedearbeiten spezialisiert, rück- ten dem Aushängeschild mit Trennscheibe und viel Know-how zu Leibe. An Erfahrung mangelt es den Maccaferris weiss Gott nicht. Die Firma hat nämlich sämtliche Wirtshausschilder in der Solothurner Altstadt restauriert, darunter diejenigen der Krone, des Löwen und des Adlers. Die Demontage des roten Türmchens und des Auslegers war trotz der Erfahrung der Maccaferris eine besonders anspruchsvolle Übung: Alleine der Ausleger wog über 600 Kilo und musste im Rahmen der Fassadenrenovation sowie aus Sicherheitsgründen entfernt werden.

Nur mit einem grossen Kran war es möglich, Türmchen und Ausleger nach der Demontage sicher auf den Boden zu bringe

Reich dekoriert

Mit der Demontage des Ensembles aus Türmchen und Ausleger war die Arbeit für die Maccaferris aber noch lange nicht getan. Die zahlreichen Deko-Elemente des Auslegers waren nach einem Vierteljahrtausend in denkbar schlechtem Zustand. Die vielen Blätter, Trauben und Blumen wurden zu 80 Prozent nach Vorgabe der Originale ersetzt. Der prächtige Adlerkopf, der das Ende des Auslegers ziert, wurde originalgetreu neu geschmiedet

 

Alles, was glänzt...

Nachdem alle Teile des Auslegers demontiert, sandgestrahlt, repariert oder neu gefertigt waren, machte sich der nächste Spezialist ans Werk: Daniel Derron nahm in seinem Atelier im solothurnischen Luterbach edles Material zur Hand und verarbeitete insgesamt 1400 Stück Blattgold in der Qualität «Rosenobeldoppelgold 23¾ Karat». Mit ruhiger Hand trug er die 80 Quadratmillimeter grossen Blätter aus Edelmetall sorgfältig auf. Diese Sorgfalt war nötig, war doch jedes Blatt nur gerade 0,002 Millimeter dünn. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches menschliches Kopfhaar hat einen Durchmesser von 0,05 bis 0,08 Millimeter und ist damit 20 bis 40 Mal dicker als das von

Nach der Reparatur, einem neuen Anstrich und erfolgter Vergoldung präsentiert sich das Türmchen wie neu.

Und das Türmchen?

Als der Rote Turm in den Jahren 1960 bis 1963 total umgebaut wurde, befand sich das kleine rote Türmchen in einem desolaten Zustand. An einen weiteren Einsatz unter freiem Himmel war nicht zu denken. So wurde das Original-Türmchen restauriert und hängt heute, geschützt vor Wind und Wetter, im Treppenaufgang des Hotels. Der Ersatz des Originals ist übrigens eine Lehrlingsarbeit: Die Firma, die während des grossen Umbaus sämtliche Spenglerarbeiten ausführte, sah im Türmchen eine ideale Gelegenheit zur Nachwuchsförderung. Sie veranlasste, dass die Lehrwerkstatt für angehende Spengler in Bern mit ihren Lehrlingen ein neues Türmchen aus Kupferblech anfertigte. Als die Spezialisten nach der Demontage im Januar 2019 das Werk begutachteten, kam so einiges zum Vorschein: Das vor 60 Jahren von Lehrlingen gefertigte Türmchen musste komplett auseinandergenommen werden. Die Innenkonstruktion wurde repariert, die einzelnen Teile wurden sandgestrahlt, grundiert und im originalen roten Farbton gespritzt. Schliesslich kam auch das Türmchen in den Genuss einer teilweisen Vergoldung.

 

Sämtliche Kleinteile präsentieren sich hier nach der Vergoldung. Es sind übrigens – die Solothurnerzahl 11 lässt grüssen – 111 Stück.

Eine Meisterleistung

Nach ein paar Monaten waren alle Einzelteile des legendären Wirtshausschilds restauriert oder neu gefertigt und konnten in der Maccaferri-Werkstatt wieder zusammengesetzt werden. Mitte August 2019 war es dann soweit: Nach mehr als 400 meisterlichen Arbeitsstunden, geleistet in den Ateliers von Maccaferri und Derron, kehrten Ausleger und Türmchen dahin zurück, wo sie hingehören: an die Fassade des Roten Turms.