Turm v2
Wirtshausschild Roter Turm, Solothurn

Wirtshausschilder warben schon in der Antike für Herbergen. Wichtig für Reisende vergangener Zeiten, die nicht lesen konnten. Dank moderner Leuchtreklamen von «McDonald's» oder «Mövenpick» erkennen auch heutige Reisende blitzschnell Hotels und Restaurants. 

Gastfreundschaft zu gewähren gehört zu den ältesten Tugenden des kultivierten Menschen. In den im Mittelalter noch sehr dünn besiedelten Gebieten war man auf dieses Geben und Nehmen angewiesen, wollte man auf langen und beschwerlichen Reisen nicht verhungern und verdursten. Und ein einfaches Nachtlager auf dem Heu machte dem Gastgeber auch keine grossen Umstände. Besonders an den Hauptverkehrswegen entstanden Herbergen, in denen gegen Bezahlung Speise, Trank und Unterkunft angeboten sowie die mitgeführten Last- und Reittiere versorgt wurden. Doch um die Herbergen zu finden, benötigte man Wirtshausschilder.

 

Das «Wirtshausschild» der Römer

Die archäologischen Untersuchungen liefern den Beweis, dass der «Rote Turm» auf dem ältesten Siedlungs- und Wohnplatz innerhalb des Stadtgebietes steht. In der Römerzeit scheint sich hier ein ausgebauter Hafenplatz für die Aare-Schifffahrt befunden zu haben. Es ist gut möglich, dass schon damals eine Schenke oder sogar eine Herberge bestand, in der sich die durstigen und müden Schiffleute erlaben konnten. Um Kunden anzulocken, benutzten die Römer bunte Wirtshausschilder, auf denen sie ihr Angebot anpriesen.

 

Das «Wirtshausschild» im Mittelalter

Mit dem Niedergang des römischen Imperiums verlor die Wirtshauskultur allgemein an Bedeutung. Einige Jahrhunderte vergingen, bis das Gastgewerbe – vor allem durch die Klöster – wieder in Schwung kam. Wahrscheinlich kennzeichnete oft ein grünbelaubter Ast, Baum oder Kranz Tavernen und Schankstellen, und die Wirte benannten ihre Gasthäuser danach. Wer kennt nicht das Studentenlied «Im Krug zum grünen Kranze»? Neben Ast und Reif verbreitete sich die Fahne als Tavernenzeichen und wurde bald in Holz oder Eisen zum festen Wirtshausemblem. Solche Schilder vor den Wirtshäusern waren für die Gastwirte eine gute Werbung und für die städtischen Steuereintreiber und Kontrolleure wichtige Orientierungsmerkmale. Zugleich wiesen sie auf die Gasthäuser als Orte des Friedens hin. Im 13. Jahrhundert wurden vermehrt Städte gegründet und in den Gassen viele gleichartige Häuser gebaut. Das aufblühende Wappen- und Zeichenwesen eignete sich zur Kennzeichnung der Häuser. Im Verlauf des Spätmittelalters wurden immer mehr Handwerker zu Hauseigentümern. Denn: ohne Haus kein Bürgerrecht. Man fürchtete zahlungsunfähige Bürger, die der Stadt-Staat unterstützen müsste. Die Gasthäuser mussten auch wegen der obrigkeitlichen Kontrolle über den Weinverbrauch und zum Erheben des Ohmgeldes (Alkoholsteuer) gut sichtbar sein.

Gasthausnamen und ihre Ursprünge

In manchen Städten war das Anbringen eines Wirtshausschildes gesetzlich verankert. Das Beherbergungsrecht war oft an eine Liegenschaft gebunden. Dazu wurde in vielen Städten seit dem 15. Jahrhundert die Änderung von Hausnamen verboten. So blieben die alten Namen bestehen und wurden zur Gewohnheit. In der Schweiz war das «Rössli» bis zur Einführung der Eisenbahn («zum Bahnhof») der häufigste Name für Gaststätten. Verbreitet waren auch «Sonne», «Mond» und «Sternen» sowie «Post» als Etappenort oder «Hirschen» (Jagd). Namen sind oft auch religiös geprägt. Der Schlüssel weist auf Petrus hin, und auch jedem der vier Evangelisten ist ein Symbol zugewiesen: Für Matthäus steht der Engel, für Lukas der Stier (Ochse), für Johannes der Adler und für Markus der Löwe. In Solothurn tauchte der «Löwe» schon im 15. Jahrhundert auf. Es gab einen roten und einen goldenen Löwen. An der Löwengasse zeigt das prächtige Wirtshausschild im Empire-Stil einen goldenen Löwen, der einen Becher in der Pranke hält. Ebenfalls häufig waren die Schutzheiligen der örtlichen Kirchen und Klöster («Urs und Viktor»). Heilige, wie Jakob, Georg, Michael und die aus der Ferne kommenden Drei Könige finden wir im 14. Jahrhundert vor allem an Pilgerstrassen. Manchmal gab auch das Wappen des Stadt- oder Landesherrn oder jenes eines Herrschers, für den man besondere Sympathien hegte, den Namen. In Solothurn, der Residenz des französischen Ambassadeurs, verwiesen sowohl die Lilie, «Gilge», wie auch die «Krone» auf den König von Frankreich. Es gab nicht nur eine «Gilge»; die «St. Ursenpinte» war eines der ältesten Gasthäuser und wurde bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts als «Krone» erwähnt. Das «Weisse Kreuz» deutete auf die Eidgenossen, der «Bären» auf Bern, der «Kranich» auf die Grafen von Greyerz, der «Adler» auf das Heilige Römische Reich hin. Bis 1648, also bis zum Westfälischen Frieden, gehörten die Eidgenossen zum Reich. Besondere Beachtung verdient der schöne Adlerkopf, der das Schild des «Roten Turm» trägt.

Der Turm als Gegenstück zur «Krone»

Die Stadtburg von Solothurn wurde von den Herzögen von Zähringen in ihrer Funktion als Rektoren von Burgund beträchtlich erweitert; zu dieser zähringischen Burg gehörte der heutige Zeitglockenturm. Er ist der letzte sichtbare Zeuge feudaler Herrlichkeit. Nach dem Aussterben der Zähringer 1218 errichtete die solothurnische Bürgerschaft auf dem von ihr okkupierten Platz der früheren Burg, unmittelbar neben dem Turm, eine Taverne. Diese bildete das Gegenstück zu der ursprünglich wohl vom St. Ursenstift erbauten «Krone». Beide Gasthöfe können somit auf ein Alter von rund sieben Jahrhunderten zurückblicken. Ihren Namen erhielt die Herberge nach dem benachbarten Turm, wobei das «Rot» sich offenbar nicht auf die Farbe des Turmes, sondern auf diejenige des Wirthausschildes bezieht, wie es einen «Roten Löwen» und einen «Roten Ochsen» gab.

Turm v2 Turm v2 Turm v2 Turm v2 Turm v2